Veröffentlicht durch den Gemeinde- und Städtebund Thüringen am 6. Juli 2011

Wir lehnen das Thüringer Finanzausgleichsgesetz 2012 in der von der Landes­regierung vorgelegten Form ab. Das Gesetz missachtet verfassungsrechtliche Grund­sätze. Sollten die vorgesehenen Kürzungen wider unsere Erwartung beschlossen werden, werden die Gemeinden, Städte und Verwaltungsgemeinschaften im Freistaat Thüringen dagegen klagen. 

1.         Die Kürzung um 73,6 Mio. € mit der Begründung, der kommunale Investitionsbedarf sei entsprechend gesunken, stellt die Realität auf den Kopf. Die seit Jahren reduzierte kommunale Finanzausstattung zwingt Kommunen schon lange zum Verzicht auf notwendige Investitionen. Aus dieser Zwangssituation einen mangelnden Investitionsbedarf abzuleiten ist unverfroren.

2.         Mit dem Bundesgesetz zur Stärkung der Finanzkraft der Kommunen hat der Bund sich zum Ziel gesetzt, die Finanzkraft der Kommunen zu stärken. Hierzu hat er sich bereit erklärt, schrittweise die Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbs­minderung zu übernehmen. Die Ministerpräsidentin des Freistaates Thüringen hat am 25. Februar 2011 im Bundesrat die spürbare Entlastung der Kommunen zu Recht begrüßt.

Nach dem vorgelegten Entwurf der Landesregierung sollen die Kommunen des Freistaates Thüringen von den vorgesehenen Finanzmitteln des Bundes in Höhe von 15,6 Mio. € nicht einen Cent erhalten. Dieses Geld wird zu 100 % vom Land zur eigenen Haushaltskonsolidierung missbraucht. Die Kommunen im Freistaat Thüringen fühlen sich durch diese Vorgehensweise betrogen und fordern die vom Bund gewährte finanzielle Entlastung zusätzlich zur ermittelten Finanzausstattung ein.

3.         Im Rahmen der Anhörung zum KFA 2010 wurde den Kommunen eine Spitzabrech­nung der Kosten für die Kindertagesbetreuung des Jahres 2010 zugesagt. Eine Spitzabrechnung ist bis heute nicht erfolgt. Den Gemeinden werden zudem für das gesamte Jahr 2010 Einnahmen aus Erziehungsgeldabtretungen unterstellt, obwohl es eine Erziehungsgeldabtretung in Thüringen mit Ablauf des Juli 2010 durch eine Gesetzesänderung gar nicht mehr gibt.

4.         Die Landesregierung hat den Kommunen schriftlich eine Stellungnahmefrist bis zum 28. Juni 2011 gewährt. Ohne den Fristablauf abzuwarten und ohne die Stellung­nahme des Gemeinde- und Städtebundes Thüringen zu kennen, hat das Kabinett am Morgen des 28. Juni 2011 das Eckpunktepapier für den Haushalt 2012 beschlossen. In der anschließenden Regierungspressekonferenz hat der Finanzminister erklärt, dass sich an den Eckpunkten, also auch an der vorgesehenen Finanzausstattung der Kommunen, nichts mehr ändern werde. Dieses Vorgehen brüskiert alle ehrenamt­lichen und hauptamtlichen kommunalen Mandatsträger!

5.         Der Thüringer Verfassungsgerichtshof hat 2005 entschieden, dass den Kommunen eine finanzielle Mindestausstattung zu gewähren ist und dabei jährlich Mehr- und Minderbedarfe zu berücksichtigen sind. Während das Land bei Minderbedarfen großzügig und umfassend agiert, sind zahlreiche Mehrbedarfe mit keinem Wort erwähnt. Nachgewiesene, statistisch erfasste Kostensteigerungen, wie beispielsweise im Bereich des Jugendhilfe um mindestens 35 Mio. € in 2010 verglichen mit 2005, werden mit nicht einem Cent angerechnet. Die Landesregierung ignoriert  hartnäckig auch zusätzliche Kosten für den Winterdienst und Winterfolgeschäden, obwohl sie in der Sache unstrittig sind.

6.         Der Gemeinde- und Städtebund Thüringen hat sich hinsichtlich der Finanzierung des neuen Kindertagesstättengesetzes sehr dafür eingesetzt, eine Finanzierung voll­ständig über zweckgebundene Landespauschalen vorzunehmen, um das Geld dort einsetzen zu können, wo es auch gebraucht wird. Das ist seitens der Landes­regierung mit dem Hinweis darauf abgelehnt worden, es sei verfassungsrechtlich nicht zulässig, den Kommunen mehr als die Hälfte der Gesamtzuweisungen zweckgebunden auszureichen. Proteste unserer Gemeinden und Städte, unserer Bürgerinnen und Bürger, insbesondere der Eltern wurden mit diesem Argument vom Tisch gefegt. Die Gemeinden und Städte fordern, dass die Landeszuweisungen für die Kindertagesstätten verursachungsgerecht auch dort ankommen, wo die Kosten entstehen.

Für 2012 kürzt die Landesregierung die Schlüsselzuweisungen derart massiv, dass
ca. 1,38 Mrd. € zweckgebunden und lediglich ca. 1,05 Mrd. € zweckfrei den Kommunen zur Verfügung gestellt werden sollen. Nur wenige Monate später gilt das bei der Kindertagesstättenfinanzierung angewendete Verfassungsprinzip also nicht mehr! Die Landesregierung macht sich damit unglaubwürdig.

7.         Die Gemeinden und Städte fordern eine ausreichend bemessene finanzielle Mindest­ausstattung, damit sie neben ihren Pflichtaufgaben im eigenen und übertragenen Wirkungskreis wenigstens noch das von der Verfassung zugebilligte Mindestmaß an freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben wahrnehmen können.

8.          Die Auftragskostenpauschale wurde willkürlich und ohne jeglichen Sachgrund für kreisangehörige Kommunen um nahezu 50 % für Aufgaben gekürzt, die sich weder in der Qualität noch in der Quantität gegenüber den Vorjahren auch nur einen Hauch verändert haben. Die Kommunen fordern die Erstattung der ihnen entstehenden Kosten für die Durchführung von Landesaufgaben und die Anwendung eines Bench­marksystems, dass diesen Namen auch verdient.

9.            Die Anrechnung fiktiver Steuereinnahmen beschneidet die kommunale Selbst­verwaltung. Die Orientierung an Vergleichswerten ist willkürlich, zumal je nach Geschmack mal der Bundesdurchschnitt, mal ein selbst zusammengestellter Vergleichswert als Basis genommen wird.

10.       Die Kürzung der Schlüsselzuweisungen um 25 % macht Kommunen, die die Basis unseres Rechtsstaats bilden, handlungsunfähig; die Bürger/innen müssen das ausbaden.

Unsere Botschaft an die Abgeordneten des Thüringer Landtages lautet: Nehmen Sie Ihre Verantwortung gegenüber der Landesregierung wahr und lehnen Sie das vorgelegte Finanzausgleichsgesetz ab. Die Kommunen haben die Sparbemühungen jahrelang mitgetragen, jetzt sind sie dazu nicht mehr in der Lage, sie sind finanziell am Ende. Mehr- und Minderbedarfe der Kommunen müssen auf verfassungsrechtlich einwandfreier Basis unter Beachtung der allgemeinverbindlichen Grundrechenarten angerechnet werden.

1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort

  • Hartmann Nicky
    10. Juli 2011 18:27

    In Pkt. 10 ist doch das Wichtigste gesagt. Die Kommunen sind mit ihren Bürgern die Basis. Vielleicht sollten wir den Damen und Herren Abgeordneten mal demonstriern, was passiert wenn die Basis unter der eigenen Last zusammen, oder wegbricht. Wir haben doch in unserer Demokratie so viele Möglichkeiten. Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Demonstrationsrecht usw. Warum nutzen wir das nicht.
    Hat jemand konkrete vorschläge?
    Ich bin dabei.

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